Die Stellung der Frau
Die Stellung der Frau bei den Steppenvölkern Mittelasiens war und ist ambivalent. Zum einen waren die Gesellschaften patrilinear und häufig polygam organisiert, was eine Schlechterstellung der Frau im Alltagsleben nahelegt. Zum anderen sind historisch eine ganze Reihe von Frauen mit großem Einfluß auf die Politik bekannt. Börte, die erste Ehefrau Dschingis Xaans und auch seine Mutter Hoelun sind die vielleicht bekanntesten, aber bei weitem nicht einzigen Beispiele hierfür. Auch die Witwen der Großkhaane Ögödei und Güyük vermochten jeweils über mehrere Jahre, die Wahl eines Nachfolgers zu verzögern und herrschten in der Nachfolge ihrer Männer. Berühmt ist z.B. auch Mandukhai, die nicht im Roman „Mandukhai die Kluge“ verewigt wurde, sondern die auch in Filmen und Musikgruppen weiterlebt. Möglicherweise ist die besondere Lebensweise der Nomaden für diese Stellung der Frau ausschlaggebend: Auf den kargen Steppen waren größere Siedlungen die Ausnahme, die Nomaden zogen in kleinen Wirtschaftsgemeinschaften von wenigen Jurten umher. Die Eheleute hatten sich gegenseitig vollständig zu vertrauen und mussten sich in der täglichen Arbeit oft über lange Zeit vollständig ersetzen können. Für diese Annahme spricht u.a. der mongolische Begriff für Eheleute, die sich als „nöxör“, d.h. Gefährten bezeichnen.
(Eine ähnliche Stellung der Frau wird auch für Seefahrervölker berichtet – u.a. den Wikingern -, wo die Frauen trotz patrilinearer Organisation während der Abwesenheit und nach dem Tod des Mannes die Herrinnen über Haus und Grund waren). Im Alltag des Lebens der Hirten sorgt die Frau für die Jurte, die Kinder und die Milchwirtschaft, während der Mann für die Weideabeit draußen und die Jagd zuständig ist. Doch haben wir auch erlebt, dass die Frau mit relativ kleinen Kindern den Umzug zum nächsten Weideplatz alleine bewerkstelligt, während der Mann die Herde dorthin treibt. Die Unabhängigkeit der Frau basiert auch auf der oft sehr langen Abwesenheit der Männer von der Familie, wenn sie in die feudalen Frondienste verpflichtet wurden. Dass uneheliche Kinder unter diesen Verhältnissen in die Familie aufgenommen wurden, hat Tradition. Oftmals wurden diese alleinstehenden Frauen vergewaltigt oder ließen sich mit umherziehenden Lamas ein. Schon der älteste Sohn Dschingis Khaans war nicht sein leiblicher Sohn (seine Braut war in Gefangenschaft schwanger geworden) und gilt als Vorbild für diese Umgang mit unehelichem Nachwuchs-
Eine spannende und faktenreiche Darstellung der Stellung der Frau hat Katharina Winckler unter dem Titel „Frauen bei den mittelalterlichen Steppenvölkern Eurasiens„ 2005 veröffentlicht.
Dass auch in der Mongolei Frauen trotz meist besserer Bildung schlechtere Chancen beim Start ins Berufsleben haben – zu diesem Schluss kommt eine Studie aus 2009 der Forschungsinstituts zur Zukunft der Arbeit. Weiterlesen…
Umfangreiches statistisches Material zu geschlechtsspezifischen Differenzierung der 90er Jahre (auch mit Rückgriffen auf die sozialistische Zeit) liefern B. Robinson and A. Solongo in dem Artikel „The Gender Dimension of Economic Transition in Mongolia“.