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Die Räuber vom Liang Schan Moor

Dieses Buch gehört zu den vier wichtigen klassischen Romanen Chinas. Es stellt eine Anklage gegen die Korruption dar. Immer mehr ehrbare Bürger werden gezwungen, sich in den Busch zurückzuziehen. Zentraler Ort dieser immer größer werdenden Räuberbande ist das Liang Schan Moor (so heißt der Roman in der deutschen Übersetzung. Liang Schan Po wäre korrekter – Das Moor am Berg (schan) Liang. Auf englisch und wohl auch auf chinesisch ist der Titel: Die Wasserufergeschichte. Es beschreibt einen Aufstand gegen die Song-Dynastie im 12. Jahrhundert, wurde aber – und das macht die Brisanz aus – im 14. Jahrhundert verfasst, also zu Zeiten der mongolischen Yüan-Dynastie. Damals war diese Erzählung – verständlicherweise – verboten. Aufgeschrieben wurde das Buch erst in der Ming-Zeit, also nach der Vertreibung der Yüan. In der Qing-Dynastie wurde es erneut verboten, da es als Aufruf zum Ungehorsam gegen die Regierung angesehen wurde. Es sind 108 Häuptlinge, die den Umsturz wagen. Die Zahl 108 ist im Lamaismus/Buddhismus eine mystische Zahl (12 x 9) und große Klosteranlagen sind von 108 Stupas umgeben.

In der Volksrepublik China spielte das Buch in der Kulturrevolution und der Kampagne gegen die Viererbande eine Rolle. Das Ende des Buches, das leider in der deutschen Fassung nicht enthalten ist, beschreibt, wie die Räuber vom Kaiser begnadigt werden, da alle Schuld auf den Kanzler geschoben wird. Ehrbar geworden, lassen sich die Räuber an die Nordgrenze zum Krieg gegen die „Banden“ im Norden einsetzen. Nur wenige kommen zurück. Eben dies: „Den Sieg vor Augen die Nierderlage organisieren“ war der Vorwurf, der in der Kulturrevolution Liu Schao-Tschi, bis 1968 Präsident der VR China, gemacht worden ist (u.a. Der Spiegel, 48/1977).

Die Geschichte wurde in einer unsäglichen Sequel fürs Fernsehen verfilmt, in der deutschen Version aber nach wenigen Folgen abgesetzt. Nicht nur für Freunde von Robin-Hood-Geschichten ist der Roman unbedingt empfehlenswert und antiquarisch gut zu bekommen. Die Holzschnitte von Otto Pankok im Progress-Verlag allerdings kaum.

Dieses Schicksal, im Kampf gegen die Barbaren im Norden „verheizt“ zu werden, wird in einem Lied des Shijing ebenfalls zum Thema gemacht:. Dessen letzte Strophe lautet (Nachdichtung: Fritz Mühlenweg:

Der Feind pocht an des Reiches Tor im Norden.
Wer zwingt ihn, der noch keine Schlacht verlor?
Zerschlag ich seine wilden Reiterhorden
und kehre heim, verriegelt ist mein Tor.
Ich bin sehr einsam. Wieder sprießt das Gras.
Die Götter sind entfernt von meinen Blicken.
Für mich braucht sich der Frühling nicht zu schmücken.
Grau rinnt der Alltag in mein Stundenglas.

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