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Die burjatischen Schmiede

Autor: Mag. Stefan Krist (2010 University of Alaska, Fairbanks; Department for Anthropology

Die Burjaten waren Reiternomaden und für das Leben in den Steppen waren die Arbeiten der Schmiede sowohl in Friedens- wie in Kriegszeiten von größter Bedeutung. Ohne Hufeisen, Pferdegeschirr und Waffen hätte sich diese Kultur gar nicht entwickeln können. Die Tätigkeit des Schmiedens und die Schmiede selbst wurden daher seit urdenklichen Zeiten kultisch verehrt. Auch dem Eisen selbst wird große magische Kraft zugeschrieben. Die Schmiede nahmen eine herausragende Stellung in der Gesellschaft ein, oft wurden sie genauso verehrt – und gleichzeitig gefürchtet – wie die Schamanen.

Die Kunst des Schmiedens wird als ein Geschenk der Götter betrachtet. Die Legende besagt, dass die neun Söhne des himmlischen Schmiedegottes Boschintoi auf die Erde herabstiegen und den Menschen das Schmieden beibrachten. Noch heute leben in der Vorstellung vieler Burjaten diese göttlichen Schmiede auf den schneebedeckten Gipfeln des Sajangebirges, die sie zu ihrem Abstieg vom Himmel auf die Erde benutzt hatten, und beschützen von dort aus die Menschen vor bösen Geistern und vor Krankheiten. Es gibt unter ihnen für alle wichtigen Geräte, die zum Schmieden gebraucht werden, einen eigenen Gott, also den Gott des Hammers, den Gott der Esse, den Gott des Blasebalges usw. Bei großen Opferritualen, bei denen traditionell ein Pferd – das wichtigste und am meisten verehrte Tier der Reiternomaden – geopfert wird, werden sie alle angerufen, gepriesen und gebeten, die Menschen weiterhin zu beschützen.

Die Legende berichtet weiter, dass die neun Schmiedegötter auch eine Schwester hatten, die die älteste unter ihnen war und von der sie das Schmieden gelernt hätten. Auch sie, Eilik Mulik mit Namen, stieg vom Himmel auf die Erde herab und sie brachte den Menschen das Feuer. Und auch sie blieb auf der Erde. Sie wandert seitdem umher und verjagt mit Feuerfunken böse Dämonen und Ungeheuer.
Die Schmiedeverehrung verbindet sich bei den Burjaten also mit dem Feuerkult und auch dem Bergkult, da ja die Schmiedegötter ihre Wohnsitze auf den Bergen haben. Diese Kulte bilden bis heute die Grundelemente der schamanistischen Glaubensvorstellungen der Burjaten.

In den zahlreichen Heldensagen, den herausragendsten Werken der burjatischen Volksliteratur, wird oft erzählt, dass der Held, wenn ihm im Kampf gegen schreckliche Ungeheuer, Dämonen und sonstige Feinde die Kräfte verlassen, er hinauf in den Himmel steigt und sich seinen ermatteten Körper von den Schmiedgöttern stählen lässt.

Es verwundert daher nicht, dass die Kunst der burjatischen Schmiede schon vor Jahrhunderten weithin bekannt und berühmt war. Berichte deutscher Gelehrter, die im Auftrag des Zaren im frühen 18. Jahrhundert Forschungsreisen bis in den Osten Sibiriens unternahmen, rühmten die hohe Qualität der Arbeiten burjatischer Schmiede und verglichen sie sogar mit Damaszenerstahl. Die so genannten bratskischen (=burjatischen) Arbeiten – in wunderschönem Ornamentstil auf Eisen aufgeschlagenes Blattsilber – waren im ganzen Russischen Reich berühmt!Die besondere künstlerische Qualität der burjatischen Schmiedearbeiten hat bewirkt, dass das Schmiedehandwerk trotz der Verdrängung handgeschmiedeter Werkzeuge, Geräte und Waffen durch maschinell gefertigte Fabrikware bis heute bei den Burjaten immer noch weit verbreitet ist und einen hohen Stellenwert genießt. Sowohl die Eisenschmiede als auch die Silber- und Goldschmiede Burjatiens sind nach wie vor große Meister ihres Faches. Viele haben die besten Kunstakademien Russlands besucht und ihre Werke in Ausstellungen in ganz Russland und in aller Welt gezeigt.

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