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Die Bedeutung der Kalmücken für die Entwicklung der Mongolistik in Deutschland

Auszug aus Udo B. Barkmann, Deutsche Mongolistik im Wandel der Zeit, Vortrag zur Jahrestagung der Deutsch-Mongolischen Gesellschaft 2013.  Wir danken für die Genehmigung zum Abdruck.

„Sicher kann man verschiedene Koordinaten des Ursprungs der Mongolistik ausmachen, jedoch wird in jedem Falle deutlich, dass das Motiv, sich mit den Mongolen systematisch zu beschäftigen, ursprünglich kein wissenschaftliches, sondern ein missionarisches war. Zum Beginn des 18. Jahrhunderts zogen protestantische Missionare der Hallenser Pietisten-Schule um August Hermann Francke in die Steppen am Unterlauf der Wolga, um die Kalmücken, die russische Untertanen waren, zum Christentum zu bekehren. Aus den wenigen erhaltenen Unterlagen erfahren wir, dass der Missionar Justus Samuel Scharschmidt um das Jahr 1703 seinen kalmückischen Diener zur Ausbildung in das Hallenser Waisenhaus schickte und dass der Missionar J. Renat A. H. Francke regelmäßig ausführliche Berichte über die Kalmücken, ihre Sprache, Kultur und Religion schickte.
Mit dem Engagement der protestantischen Herrnhuter Brüderunität in Russland gewannen die Kontakte zu den Kalmücken an Breite und sogar an politischer Dimension, hatte doch Zarin Katharina II. der Brüderunität 1764 nicht nur den Zugang zu Russland gestattet, sondern ihr auch zahlreiche Privilegien verliehen. Die Zarin verfolgte damit das machtpolitische Kalkül, die Kalmücken zum Christentum zu bekehren, um sie als einen die Wolga-Region und die Südgrenzen stabilisierenden Faktor nutzen zu können. Da die Herrenhuter das Denken der Kalmücken beeinflussen wollten, spielte das systematische Studium der Sprache, Religion und Kultur der Kalmücken für sie vom ersten Tage an eine ganz besondere Rolle.
Doch die Zarin ließ die kalmückischen u.a. Gebiete in den Jahren von 1768-1774 auch durch eine große Expedition ihrer Akademie der Wissenschaften erforschen. An dieser nahmen auch der aus Berlin stammende Arzt Peter Simon Pallas und sein Kalmückisch-Dolmetscher Johann Jährig, ein ehemaliger Herrnhuter, teil. Jährig half Pallas später bei der Niederschrift seiner Expeditionsberichte über die Kalmücken. Die von Pallas veröffentlichten „Sammlungen historischer Nachrichten über die mongolischen Völkerschaften“ (St. Petersburg, Frankfurt, Leipzig 1776-1801) weckten in Deutschland ein breiteres Interesse an den Mongolen. (Nach: Heissig, Frühe deutsche Berührungen mit der mongolischen Kultur und Geschichte, in Die Mongolen, Band 2, Innsbruck 1989, S. 101.)
Die stärksten wissenschaftlichen Impulse gab jedoch zweifellos der Herrnhuter Isaak Jacob Schmidt (1779-1847), der sich während seiner Jahre in der Herrnhuter Niederlassung in Sarepta (1804-1806) intensiv mit Studien der kalmückischen und mongolischen Sprache beschäftigte. Später ging er nach St. Petersburg, wo er die Bibel in die kalmückische und die mongolische Sprache übersetzte. Seine Übersetzungstätigkeit trug reiche Früchte. 1829 erschien seine deutsche Übersetzung der 1662 von Sanang Secen verfassten „Geschichte der Ost-Mongolen“, 1831 seine „Grammatik der mongolischen Sprache“ und 1835 sein Mongolisch-Deutsch-Russisches Wörterbuch, die der akademischen Forschung gewissermaßen den Schlüssel zum Verständnis des Mongolischen und zur Erschließung mongolischer Texte boten. Die Pariser Societé Asiatique, die Kaiserlich-Russische Akademie der Wissenschaften und die Royal Asiatic Society würdigten Schmidts Verdienste mit exklusiven Mitgliedschaften.“

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