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Joseph Velter

Mit fremden Federn?

Joseph Velter ist einer der Verfasser von Abenteuerromanen, der kontinuierlich von der Weimarer Republik über den Nationalsozialismus bis in die Bundesrepublik verlegt wurde. Er wurde am 17. März 1895 geboren und starb 22. Januar 1949. Seine letzten Bücher wurden posthum veröffentlicht.

Sein Buch: Flucht durch die Gobi erscheint 1951, also ein Jahr nach Fritz Mühenwegs Buch: „In Geheimer Mission durch die Gobi“. Velter hat dieses Buch ganz offensichtlich gekannt und gnadenlos verwertet.

Über Velter schreibt Matthias Heeke in seinem Buch: „Reisen zu den Sowjets: der ausländische Tourismus in Russland 1921-1941“, dass keine der Jagdreisen, über die Velter in seinen Büchern berichtet, wirklich abgesichert sind.

  • Wölfe, Bären und Banditen. Drei Jahre in sibirischer Wildnis, 1930
  • Rote Wölfe, weiße Tiger. Eine Jägerfahrt durch Schilfmeer und Taiga der Sichota  Alin, 1932. Die Fotos zu diesem Buch sind teilweise russischen Agenturen entnommen oder von anderen Personen aufgenommen
  • Überfall auf die Goldwasserfarm. Erlebnisse zweier Wolgadeutscher in Mandschukuo, 1938
  • Ein Dorf in der Taiga, 1950
  • Die Menschemühle. Roman eines sowjetrussischen Arztes

Wenn Velter überhaupt in Russland/Sibiren gewesen ist, so vermutet Heeke dafür eine Reise in den zwanziger Jahre oder aber eine Gefangenschaft im ersten Weltkrieg. Das Buch von Heeke ist nur noch in Bibliotheken zu bestellen, im Buchhandel ist es – auch antiquarisch – offenbar nicht mehr zu bekommen.

Die Mongolei kennt Velter nicht aus eigener Erfahrung

In der Mongolei war Velter aber auf keinen Fall: So heißt es im Klappentext zum Buch „Flucht durch die Gobi“ über Urga (Ulanbatar): „diese unheimliche Stadt an der russisch-mongolischen Grenze“. Heute sind es etwa 300 Kilometer von Ulanbaatar bis zur Grenze…

Da stehen Pferde im Stall eines Klosters vor einem mannshohen Haufen Heu, da wird der mongolische Tee mit ranziger Butter serviert, Weder waren Ställe in Gebrauch noch ist die Mär von der ranzigen Butter aus der Welt zu räumen: Das kennzeichnende des mongolischen Tees ist die Milch. Butter (Örom) wird nur am Ende des Winters eventuell ranzig hinzugegeben – dann, wenn die Butter eben aufgrund der langen Lagerung ranzig geworden ist, und nicht, weil man sie mag.

An anderer Stelle beschreibt der Autor die gesamte Reise (von der diese Erzählung offenbar einen Ausschnitt darstellt) folgendermaßen: Von Biisk, „an dem vor Jahren unsere große Fahrt begann, die uns durch ganz Sibirien, durch Korea und die östlichen Gobiwüsten bis nach Urga führten“.  Es ist schon völlig unglaubwürdig, dass man von Biisk am oberen Ob aus „durch ganz Sibirien“ reist. Biisk ist der Ausgangspunkt für den Altai, nicht für Sibirien.  Zudem ist merkwürdig, dass die Rückreise nach Biisk gehen sollte, im weiteren Verlauf aber die Reise im chinesischen Ostturkestan (Xinxiang) endet.

Wenige Absätze später heißt es in Velters Buch: „Zudem: Wir kamen aus China, wir waren in Kalgan, wir hatten unterwegs auf unserer Durchquerung der Gobi den Karawanenweg verlassen.“ Dass sie sich aber auch in Peking aufgehalten haben, wird erst im weiteren Verlauf des Buches behauptet. Der auf dem Weg nach Westen immer wieder angeführte Berg  Dolon Chara ist Hunderte von Kilometern noch weiter westlich. Die erzählte Geschichte vom geheimnisvollen Räuber Kutschu-Gun und dem Prinzen Dar-to-wan (der ein Jahr in Paris war!) erinnern stark an Mühlenwegs Räuber Mondschein. Der Studienaufenthalt des Prinzen in Paris erinnert an die torgutische Prnzessin Nirdigmaa (und ihren Bruder), die Haslund-Christensen kennengelernt hat. Dass im weiteren Verlauf der Räuber Kutschu-Gun zum Kopf einer Rebellenbande gegen den neuen sozialistischen Staat wird, macht ihn zu einer neuen Inkarnation von Dambijantsan. Die Übernachtung im verlassenen Kloster ist ebenfalls schon vorher von Dettmann (Die mongolisch (Räuberburg) und Mühlenweg (In geheimer Mission…) literarisch verarbeitet worden und basiert offenbar auf einer Erfahrung während der Hedin-Expedition.

Vermutlich ein Trittbrettfahrer

Alles offenbar ein Potpurri aus anderen Erzählungen und Reiseberichten. Es ist offenitlich „hingehudelt“ und in Eile zusammengestellt. Velter ist mit diesem Buch ein offensichtlicher Trittbrettfahrer von Mühlenweg. Er hängt sich an dessen Erfolg an, und versucht, auf der Welle der Mongoleibegeisterung Anfang der 50er Jahre eben auch seine Schäfchen ins Trockene zu bringen. Der Rahmen der Geschichte ist eine Reise von Ost nach West, dieses Mal im Gegensatz zu Hedin/Mühlenweg nördlich der Zentral-Gobi. Aus dem Kampf der Mongolen bei Mühlenweg gegen die chinesische Einwanderung wird bei Felter der Kampf gegen „die Roten“ und die allgegenwärtige russische Geheimpolizei GPU. Doch während Mühlenwegs Buch eine Kenntnis der mongolischen Wirklichkeit vermittelt, in vielen Details seine Verbundenheit mit diesem Volk und seiner Situation offenlegt und den Leser in die Mongoei entführt, ist für Velter (wie auch für Dettmann) die Mongolei lediglich Kulisse für die Abenteuer von Europäern in fernen Landen.

Dr. Doolittle hat in den Jugendbüchern von Hugh Lofting seine Reisen immer so geplant, daß er mit verbundenen Augen einen Atlas öffnete und mit einem Zirkel das nächste Reiseziel auswählte. Bei Velter hat es den Anschein, daß er Vielfachvermarkter der Reiseerzählungen Dritter gewesen ist, der seine Abenteuer und Jagdexpeditionen eher am heimischen Schreibtisch erdachte denn als in der Realität erlebte.

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