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Peter Finke: Nomaden im Transformationsprozess

„Nomaden im Transformationsprozess – Kasachen in der postsozialistischen Mongolei“ – das ist der Titel der Dissertation von Peter Finke über die kasachischen Nodamen im Westen der Mongolei, eingereicht 1999 und 2005 als Buch im LIT-Verlag erschienen.. Heute (2021) ist Peter Finke Professor für Ethnologie an der Universität Zürich.

Diese westlichste Provinz, Bayan Ölgiy, ist mehrheitlich (90%) von Kasachen bewohnt. Berühmt sind die Kasachen in der Outdoor- und Fernreiseszene insbesondere als die „Adlerjäger“, die Provinz insgesamt wird häufig als die Heimat der tuwinischen Minderheit im Tsengel-Somon gesehen, wohin der Schriftsteller Galsan Tschinag Reisen organisiert. Dabei sind es überwiegend Kasachen, die hier leben, Moslems, deren Jurten sich auffallend von denen der Mongolen unterscheiden. Ihre Teppiche sind bunt, die Dächer der Jurte sind gebogen und damit die Jurte insgesamt höher, speziell ihr Ziegenjoghurt berühmt, ihr Art, Fleisch zu essen anders als die Art der Mongolen; Kasachen essen Pferdefleisch. Das alles sind natürlich die üblichen touristischen Halbwahrheiten, die im Detail wenig aussagen über die Menschen, die hier leben.

In der sozialistischen Mongolei waren sie eine der nationalen Minderheiten. Von ihren Verwandten in Kasachstan trennt sie nicht nur eine, sondern sogar zwei Grenzen: Kasachstan und die Mongolei haben keine gemeinsame Grenze, jeder Kasache, der seine Verwandten im anderen Land besuchen will, muss durch Russland fahren, und seien es auch nur wenige Kilometer – mit den ganzen Problemen des Transitvisums durch Russland.

Peter Finke war für sein Buch mehrfach nun nicht in Bayan Olgiy, sondern im Xovd sum im gleichnamigen Nachbar-Aimag, wo die Kasachen etwa 80% der Bevölkerung stellen. Sein Buch hat nur wenig mit der pittoresken Wahrnehmung der Westmongolei durch interessierte Toutisten zu tun, sondern ist ein wissenschaftliche Beschreibung der Transformationsprozesse in der Mongolei Anfang der 90er Jahre.

Wer also sich dafür interessiert, wie die sozialistische Nomadenwirtschaft funktioniert hat, und wie sie sich Anfang der 90er Jahre verändert hat, findet hier eine ins Detail gehende Feldstudie vor. Keine Lektüre für den interessierten Mongoleibesucher, sonder etwas für den, der sich intensiv mit dem Land beschäftigen will und der sich insbesondere für die Situation der Nomaden interessiert. Seit den Untersuchungen von Finke sind mittlerweile viele Jahre vergangen und es hat sich viel verändert. Finke geht  in seiner Untersuchung sehr ins Detail, gräbt Statistiken aus, wendet sich seinem Untersuchungsgegenstand mit ethnologischen, ökonomischen und soziologischen Methoden, reitet übers Land, spricht mit den Menschen, um zu verstehen, wie diese Familien den Wandel bewältigen und welche neuen (und vielleicht auch wieder alte) Strategien sie unter den veränderten Gegebenheiten entwickeln.

Die Kasachen haben als nationale Minderheit natürlich andere Strategien als die Mehrheits-Mongolen. So entschlossen sich viele nach der Wende, ihr Vieh zu verkaufen und nach Kasachstan umzusiedeln. Viele von ihnen wurden enttäuscht: Kasachstan bot den Nomaden weit weniger Möglichkeiten der Existenz als die Mongolei. Viele von ihnen kamen wieder zurück, weil sie im nomadischen Leben in der Mongolei als Minderheit mehr Chancen sahen als in Kasachstan, wo sie ohne Weiderechte und ohne Vieh in Wohnblocks am Rande der Städte perspektivlos untergebracht wurden.

Neben dem Buch von Goldstein/Beall ist das von Finke eines der ganz wenigen, die konkret in die Probleme des Nomadismus in der Mongolei im Wandel einsteigen. Anders als das von Goldstein/Beall erfordert seine Lektüre aber etwas Durchhaltewillen beim Leser. Es wäre interessant, diese Arbeit fortzuführen.

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