Walter Bornhorst: „Im Land des lebenden Buddha“
Unter diesem Titel hat Walter Bornhorst seine Erfahrungen in der Mongolei festgehalten. Es ist eine erfreulich nüchterne Beschreibung. Wer die Chance hat, es zu lesen. Unbedingt! Viel von dem, was moderne Reisefürer über das Leben bei den Viehhaltern auf dem Land schreiben, können sie unbesehen von Bornhorst abgeschrieben haben: Über das Essen, die Gastfreundschaft, ihre Geduld („Margasch“ ist das mongolische Wort für das spanische „Manana“), die mongolischen Höflichkeitsrituale usw.
Das Buch wurde in der zu Vincenz Hundhausens ‚Verlag der Pekinger Pappelinsel‘ gehörenden Werkstatt hergestellt und trägt den Vermerk „Copyright 1919 by Walter Bornhorst, Tientsin“. Ein Erscheinungsjahr ist nicht angegeben. Nach H. Walravens‘ Bibliographie der bei Hundhausen gedruckten Schriften ist es 1939 erschienen (vgl. Hartmut Walravens: Vincenz Hundhausen. Leben und Werk, Wiesbaden 1999; dort Nr. 338 des Schriftenverzeichnisses).
Das bei ZVAB im Jahr 2021 angebotene Buch war – so der Werbetext – „im Besitz von Eduard Sperling, einem Mitglied des ‚International Committee for the Nanking Safety Zone‘. – Gr. 8°, 98 Seiten mit 29 Photographien auf Tafeln u. einer doppelseitigen Karte auf dem vorderen Vorsatz, Papp-Bd. mit marmoriertem Überzugspapier u. marmoriertem Buchschnitt. Gedruckt auf weichem, deutlich faserhaltigem, leicht durchscheinendem Papier. – „Der Verfasser dieser Berichte hat nicht den Ehrgeiz, eine wissenschaftliche Abhandlung über die Mongolei zu schreiben. Er will ungezwungen erzählen, was er auf zahlreichen Reisen in einem sonderbaren Lande erlebt hat“ (Vorbemerkung). Das Werk ist bedeutend u. a. durch sein Bildmaterial: ‚Reisewagen eines mongolischen Fürsten‘, ‚Mongolischer Geigenspieler‘, ‚Ein bettelnder Wanderlama‘, ‚Mongolischer Friedhof‘, ‚Ein Gong im Festzuge des Lebenden Buddha‘, ‚Die Fähre bei Sanbetse‘ u. a. m.
Auf dem Titelblatt mit rotem Buntstift der schwungvolle Namenseintrag “Eduard Sperling / Nanking / 1940″. Der deutsche Geschäftsmann Eduard Sperling war während der Massaker von Nanking (verübt durch die Kaiserlich Japanische Armee Ende 1937 bis Anfang 1938) einer der Begründer des ‚International Committee for the Nanking Safety Zone‘, das eine Sicherheitszone für chinesische Zivilisten einrichtete.“ Darüber gibt es einen sehenswerten Film: John Rabe.
Das Exemplar im Besitz des Autors dieses Artikels, trägt ebenfalls eine Widmung: „Tientsin, Weihnachten 1941. Seinem Namensvetter in Japan vom Verfasser W. Bornhorst„.
Heute wird das Buch bei amazon als Taschenbuch (also offenbar ein Reprint) so angeboten: This is a reproduction of a book published before 1923. This book may have occasional imperfections such as missing or blurred pages, poor pictures, errant marks, etc. that were either part of the original artifact, or were introduced by the scanning process. We believe this work is culturally important, and despite the imperfections, have elected to bring it back into print as part of our continuing commitment to the preservation of printed works worldwide. We appreciate your understanding of the imperfections in the preservation process, and hope you enjoy this valuable book.
Wann ist das Buch geschrieben worden?
Bei dem Buch irritiert der Vermerk „Copyright 1919“. Dies kann so nicht für das gesamte Werk stimmen, denn es gibt folgende Beschreibung der Vertreibung der Chinesen aus Urga: „Als die Chinesen sich vor 15 Jahren aus Urga zurückziehen mussten, kamen fünftausend Mann der Garnison auf dem Wege nach Kalgan über diese Felsen. Sie waren von den verfolgenden Mongolen, Russen und Buriaten müde gehetzt …Sie befanden ssie sich [zwischen] zwei Feuern und kein einziger von ihnen entkam. Jetzt gehen nachts ihre Geister um.“ Das hier Geschilderte ereignete sich zum Jahreswechsel 1920/1921, das Buch oder diese Passage muss also – wenn die 15 Jahre stimmen – nach 1935 geschrieben worden sein. Auch wird mehrfach von einer Begegnung mit der GPU berichtet, die es erst ab 1922 gegeben hat (sie löste die erste sojetische Geheimpolizei TSCHEKA ab). Damit ist die Annahme bei amazon, das Buch stamme von 1923, widerlegt. Andererseits wird an vielen Stellen von Klosterfesten und vom Lebenden Buddha, dem Bogd Gegeen geschrieben. Dieser ist aber 1924 verstorben. Aus all dem ergibt sich, dass dieses Buch entweder ein „Work in porgress“ gewesen ist, der Verfasser mit Teilen schon 1919 begonnen hat, es aber erst viele Jahre später in China hat drucken lassen, um es in der dortigen deutschen Community zu verteilen oder aber – und das scheint sehr viel wahrscheinlicher, die jahreszahl ein Satzfehler war und es shclicht und einfach 1939 hätte heissen sollen.
Wer war Walter Bornhorst?
Über den Autor ist wenig herauszubekommen. Der Namensvetter in Japan, also kein Verwandter, ist wohl Dirk Bornhorst, geboren 1927, der mit seiner Familie nach China und Japan gezogen ist und in die Deutsche Schule in Kobe ging. Dafür spricht, dass das Exemplar des Verfassers diesers Artikels, den Stempel der „Deutschen Schule Kobe“ trägt. Gut möglich, dass Dirk Bornhorst den Autor in Tientsin kennengelernt hatte.
Für einen 14jährigen ist ein Pferdeaufkäufer wie Walter Bornhorst – so zumindest bezeichnet er sich selbst – eine spannende Figur, der aus einem so wilden Land berichten konnte. Bei dieser Tätigkeit wird Bornhorst sicher auch mit Frans August Larsen bekannt geworden sein, der ähnliche Geschäfte betrieb. Mit großer Sicherheit wird er aber Fritz Sommer (geboren 1907) gekannt haben. Dieser ging für die chinesische Regierung in die Mongolei, um Pferde zu züchten, „von denen sechs ein Krupp’sches Geschütz ziehen konnten“, wofür zuvor 20 Ponys nötig waren. Zwar spielten Pferde auch weiterhin eine Rolle für die ganze Familie, doch kehrte er wieder nach Tianjin zurück, wo er zum alleinigen Inhaber der Firma Telge & Schröder avancierte (die schon 1908/1909 die Teile für die erste Brücke über den Gelben Fluss aus Deutschland importiert hatte). (siehe: Barbara Schmitt-Englert: Deutsche in China 1920–1950).