Galsan Tschinag
Die mongolische Literatur wird in der deutschsprachigen Rezeption dominiert von Galsan Tschinag. Er lebt teilweise in Deutschland, teilweise in Ulanbaatar und teilweise ganz im Westen der Mongolei, im Tsengel Somon. im Sozialismus wurde er zum Studium delegiert und musste danach dort arbeiten, wohin ihn das Ministerium abordnete. Dies war nicht nur im Sozialismus übllich, sondern gilt beispielsweise auch für die USA, wo Staaten der USA Stipendien vergeben und dies an die Bedingung knüpfen. diese dann in diesen Staaten abzuarbeiten. eine der schönsten Fernsehserien zu diesem Thema war: „Ausgerechnet Alaska“, wo ein jüdischer Mediziner dann mit Inuit-Einwohnern irgendwo in Alaska aufeinanderstößt.
Doch zurück zu Galsan Tschinag: Er gehört zur Volksgruppe der Tuwiner, einer turksprachigen Minderheit in der Mongolei (auch in China, in Sibirien und in der autonomen Republik Tuwa in Russland). Galsan Tschinag wurde bekannt durch eine Aktion, die er mit dem westdeutschen Rundfunk durchgeführt hat, als er mit einigen Kamelen quer durch die Mongolei nach Bayan Ölgii zog, um die angebliche Vertreibung seines Volkes rückgängig zu machen. Seine Bücher, die er auf Deutsch schreibt, sind sprachlich höchst interessant, weil er mongolische Bildwelten auf Deutsch übersetzt. So würde kaum ein deutscher Autor auf einen Titel kommen wie „Im Land der zornigen Winde“.
Galsan Tschinag engagiert sich mit seiner Familie für die Wiederaufforstung in der Mongolei. Anfangs hatte er sich zum Ziel gesetzt, im Hohen Altai ein millione Bäume zu pflanzen. Dieses Projekt brachte nicht den erhofften Erfolg, weil ein großer Teil des Landes dort über der Baumgrenze liegt und Bäume schlicht nicht gedeihen. Heute hat die Tschinag-Stiftung ihre Aktivität auf die ganze Mongolei ausgedehnt. außerdem veranstaltet die Stiftung Reisen vorwiegend in den Westen der Mongolei und bedient dabei ein an Esoterik, Schamanismus und ähnlichem interessiertes Publikum.
Als er einmal auf einer Lesung in Wiesbaden gefragt wurde, ob er denn Schamane sei, antwortete er listig und weise: „Wer auf diese Frage mit Ja antwortet, ist kein Schamane – ich bin keiner“. Einige Jahre später bot er sich in allen verfügbaren Talkshows als eben solcher Schamane an. In einem zufälligen Frühstücksgesprach in einem Hotel nach einer Lesung wurde seine innere Zerrissenheit deutlich: im Sozialismus aufgewachsen, aus seiner tuwinischen Familie erst in die Hauptstadt, dann in die DDR zum Germanistik-Studium delegiert, wegen politischer unzuverlässigkeit aus dem Staatsdienst entlassen, nach der Wende als Schriftsteller in Deutschland bekannt geworden, aber in der Mongolei eher unbekannt. Seine Bücher spiegeln diese Zerrissenheit und seinen ständigen Versuch, mit all dieser Zerrissenheit seinen Beitrag für eine bessere Welt zu leisten.