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Das Kreuz mit dem Namen

Vor einigen Jahren befand ein bayrischer Richter, dass die Formulare der Standesämter geändert werden müssten, weil sie der Realität der Zuwanderung aus anderen Kulturkreisen nicht genügen würden. Sie würden streng in Vornamen und Nachnamen unterscheiden, als sei dies die allein seligmachende Form der Namensgebung. Dass dies bei weitem nicht so ist, dass Vor-und Familiennamen eindeutig kulturelle und administrative Festlegungen sind, wird vielleicht an folgendem Beispiel deutlich:

Eine mongolische Studentin kommt nach Deutschland und meldet sich bei der Ausländerbehörde an. Sie heisst beispielsweise Narantuja (Sonnenschein) und ihr Vater heisst Batbileg. Also trägt sie sich in das Meldformular mit Vornamen Narantuja und Nachnamen Batileg ein. Nun bekommt sie ihre Meldebescheinigung mit dem Namen Narantuja Batbileg.

Konsequenz dieses Vorgehens ist, dass sie sämtliche Post an Frau Narantuja Batbileg bekommt und in allen Schreiben mit „Sehr geehrte Frau Batbileg“ angesprochen wird. Wie es halt bei uns in der höflichen, distanzierten, offiziellen Form üblich ist. Nun ist Batbileg der Name ihres Vaters und Narantuja legt Wert darauf, mit ihrem richtigen Namen Narantuja angesprochen zu werden.

Also geht sie aufs Ausländeramt und gemeinsam wird ein Ausweg gefunden: Aus Narantuja Batbileg wird Batbileg Narantuja. Alle Freunde wissen, dass sie Narantuja heisst und in allen offiziellen Schreiben wird sie mit „Sehr geehrte Frau Narantuja“ angesprochen.

So ist alles in Ordnung – bis sie sich interkulturell verliebt und ihren Freund Heiner Schulte heiraten will. Die Familie besteht auf Schulte als gemeinsamem Ehenamen und so gehen beide zum Standesamt, wo dann mit der Eheschließung aus Batbileg Narantuja plötzlich Batbileg Schulte wird, Womit sie komplett ihren eigenen Namen Narantuja verloren hat..

Namen sind nicht unveränderlich – Trotz Napoleon

Das heutige Namensrecht beruht im Wesentlichen – trotz aller Anpassungen – auf dem Code Civile aus napoleonischer Zeit und basiert auf einen eindeutigen und – mit Ausnahme der Eheschließung – lebenslang unveränderlichen Namen. Das reale obige Beispiel zeigt, dass die Systeme der Namensgebung weltweit eine Varianz aufweisen, die sie nur schwer übertragbar machen. Da gibt es den Künstlernamen, der vielfach als offizieller Name oder Namenszusatz gebraucht wird (Pelé, Woody Allen, Kirk Douglas, Tony Curtiz), da gibt es den Geschlechtsnamen (Adelstitel und ähnliches), da gibt es den Vatersnamen (Petersen, Iwanowitsch, Kara ben Nemsi – Verballhornung von: Karl, Sohn eines Deutschen); seltener – wie in Island – hat der Vatersnamen bei Töchtern eine eigene Form – Gudrunsdottir. Da gibt es Kulturen, wo der Name mit dem Alter sich verändert. Dem Kindnamen folgt der Jugendname, dann der Krieger- oder Erwachsenennamen (wir denken an die Indianerbücher unserer Jugend).

Wer katholisch ist, muss mindestens einen der Vornamen des Täuflings aus der Menge der heiligen, von der Kirche gesegneten Namenspatronen auswählen Bis vor wenigen Jahren war die Wahl des Vornamens bei vielen Standesämtern geregelt: Er musste aus einer Liste der bekannten Vornamen ausgewählt werden und aus dem Namen musste das Geschlecht des Trägers eindeutig hervorgehen. Der Name Maria für Männer war nur als zweiter Vornamen hinter einem eindeutig männlichen erlaubt (Rainer Maria Rilke). An meinem 18. Geburtstag beschloss das Gericht in Lübeck, dass die Verwendung meines Vornamens Eike für Mädchen evtl. zu untersagen sei. Historisch hat das Gericht Recht: Schon der Verfasser des „Sachsenspiegels“, Eike von Repgow, war eindeutig ein Mann; dennoch gibt es allein in meinem Bekanntenkreis mindestens zwei Trägerinnen meines Vornamens – und mit der einen bewohnte ich zu Studentenzeiten sogar die gleiche Wohnung. Mittlerweile hat der baden-württembergische Gerichtshof meinen Eiigennamen zu einem bi-geschlechtlichen erklärt, der durch einen zweiten Namen geschlechtlich eindeutig gemacht werden müsse. Wie das aber in Zeiten des „dritten Geschlechts“ (sonstige) in Zukunft weiter codifiziert werden soll, bleibt abzuwarten.

Eike Seidel

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