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Das Schlachten

Autor: Eike Seidel 2010

Die Erfahrung der Tötung einer Ziege oder eines Schafes gehört sicher zu den existentiellsten Erfahrung eines Touristen in der Mongolei. In Europa ist das Schlachten weitgehend in anonyme Tötungsanstalten verbannt und die Verbindung zwischen dem Weidevieh und dem Fleisch auf dem Teller längst aufgelöst. Landschlachtereien, in denen noch in den 50er Jahren die neugierig ängstlich zuschauende Dorfjugend den Metzger beobachteten, wie er rittlings auf der Sau sitzend diese mit dem Bolzenschußgerät tötete, existieren so gut wie nicht mehr.

Und obwohl wohl fast jeder männliche Mongole auf dem Land schlachten kann, wird diese Handlung selbst nicht beiläufig vollzogen. Von Naturvölkern ist bekannt, dass sie vor der Jagd ihr späteres Opfer um Verzeihung bitten; der „Herzog der Mongolei“, Frans August Larsen, berichtet von besonderen Lamas, die das Tier auswählten und in besonderen Ritualen für das Schlachten freigaben. Und auch wir wurden argwöhnisch beäugt, als wir die Bilder vom Schlachten aufnahmen. Auf keinen Fall sollten wir sie als Beleg für die mangelnde Ehrfurcht der Mongolen vor dem Leben präsentieren. Ehrfurcht vor dem Leben ist  hier allgegenwärtig, ein Gefühl der Schuld und Sünde ist immer dabei.

Das Schlachten selbst vollzieht sich auf dem nackten Steppenboden. Dem Tier wird ein Schnitt in die Bauchdecke gesetzt und mit der Hand hineingegriffen und die Aorta abgedrückt oder abgerissen, bis das Tier verendet ist. Das ganze vollzieht sich – je nach Geschick des Mannes – vordergründig friedlich, das Tier scheint sich nicht zu wehren oder zumindest in sein Schicksal zu ergeben, und bis auf einen lauten Seufzer ist kaum etwas zu hören.

Das Blut ergießt sich bei dieser Art des Schlachtens in den Bauchraum des Tieres. Der gesamte Prozess findet auf dem Fell des Tieres statt, das als erstes abgezogen wird und als Unterlage für die weiteren Tätigkeiten dient. Ist das Schlachten und Zerteilen des Tieres beendet, wird das Fell zusammengelegt und nichts erinnerst mehr an diesen Vorgang.

Insbesondere bleibt kein Blut und kein Stück Fleisch oder Eingeweide am Schlachtplatz zurück. Dies ist insbesondere deshalb wichtig, weil solche Überreste Raubtiere, insbesondere Wölfe, anlocken würden, die dann eine permanente Gefahr für die Herden darstellen würden.

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