Überspringen zu Hauptinhalt

Schreiben, wie wir sprechen –
sprechen, wie wir schreiben?

Wer seine Mutter- oder Vatersprache dann in der Schule als Schriftsprache beigebracht bekommt, hält das dort gelernte Schriftsystem, das Alfabet, für eine eindeutige Abbildung der Sprache. Auch die Laute werden für den einzigen möglichen Lautvorrat gehalten, aus dem sich Sprache zusammensetzt. Wir müssten es besser wissen, spätestens wenn das Deutsch verschiedener Mundarten aufeinander trifft. Da gibt es den hoch- und norddeutschen Buben, der im Süden zum Buam wird, und Hamburg wird an der Elbe viel eher Hambuach gesprochen. Und dass das nicht nur „Mundart“ ist (also die Sprache ungebildeter Leute), sondern auch in der „Hochsprache“ der Fall ist, wird an den unterschiedlichen „ch“s in „Ach“ und „Krach“ deutlich. Auch haben wir mindestens drei verschiedene „r“-Laute, das Zungen-, Gaumen- und Rachen-R. Für manche Laute haben wir im lateinischen Alfabet gar keinen Buchstaben und müssen uns mit Kombinationen behelfen wie „sch“ und „ch“, bei anderen Lauten versagt unser Alfabet völlig, wie an den vielfältigen und meist falschen Aussprachen des ehemaligen polnischen Arbeiterführers und Präsidenten Lech Walesa deutlich wurde. Diese Beispiele sollen reichen, um die Differenz zwischen der gesprochenen Sprache und ihrer Niederschrift zu verdeutlichen.

Das Mongolische hat nun eine mehrfache Komplexität. So unterscheidet es sehr genau zwischen langen und kurzen Vokalen, was das Russische im gesprochenen Wort nicht kennt – alle Silben sind im Russischen gleich lang – und somit auch in der Schrift nicht berücksichtigen muss. Da aber im Mongolischen dasselbe Wort als kurze Silbe eine völlig andere Bedeutung hat als als lange Silbe, kann man sich hier mit einer Verdoppelung des Vokals bei langen Slben behelfen. (Nebenbei: Wir haben im Deutschen mitunter eine Eselsbrücke: Ein doppelter Konsonant hinter einem Vokal macht dissen kurz und scharf. So unterscheiden haben wir laufende „Nasen“ in „nassen“ Klamotten – Das das nicht immer hilft, wurde im Jahr 2020 bei der Kapitänin eines Flüchtlingsschiffs im Mittelmeer, Frau Rackete, deutlich. In ihrem Namen war das „ck“ – sonst ein Anzeichen für einen kurzen Vorkal davor wir z.B. bei „rackern“ -, zum Dehnungskennzeichen geworden. Problematischer wird es im Mongolischen aber mit der Aussprache von bestimmten Vokalen, die wir so weder im Alfabet noch in der gesprochenen Sprache haben. Hier hat das Kyrillische ein paar Buchstaben hinzugefügt, um dem Leser die korrekte Aussprache nahezulegen. Bis er diese Laute aber sprechen kann, wird es aber eine ganze Zeit dauern. Im Mutterleib und in frühester Kindheit hat er diese Laute ja nicht gehört, und sie später zu lernen kann zu einer Sisyphos-Arbeit ausarten.

So kennt das Russiche kein Ö und dementsprechend das kyrillische Alfabet dafür auch kein Zeichen. Dies wurde bei der Verschriftlichung der mittelasiatischen Sprachen im kyrillischen Alfabet  „nachgebaut“ und wird Ө geschrieben, wir im „Öwörkhangai“-Aimag (Өвөрхангай). Da nun aber das Englische (auch die Computertastaturen, die dort meist gebräuchlich sind) dieses Zeichen nicht kennt, wird hierfür meist ein „u“ geschrieben: „Uwurkhangai“. Nun gibt es ja englische Wort wie „Don’t disturb“ an der Hoteltür, und es ist für englischsprachige Menschen völlig selbstverständlich, dass in manchen Wörtern das „U“ eben wie ein „Ö“ ausgesprochen wird. Im Russischen gibt es aber kein „Ö“ als Laut. Also bedurfte es eines neuen Zeichens. Ähnliches mit den verschiedenen mongolischen „U“-Lauten: Russisch kennt nur „У„, das Mongolische benötigt aber mindestens zwei unterschiedliche Buchstaben, um Verwirrung in der Sprache zu vermeiden: „У“ und „Ү„, also mit geradem Unterstrich, das in der Aussprache eher unserem „Ü“ nahekommt.

Wer jetzt noch nicht genug von der Verwirrung hat, kannn sich ja hier weiter verwirren lassen…

An den Anfang scrollen