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aktische Neuausrichtung der Mongolei: Die mongolische Regierung stärkt zur Zeit die russischen Bestrebungen, stärkere Kontrolle über den Uranabbau in ihrem Land zu erlangen.

Quelle: Elektronische Zeitung Schattenblick im MA-Verlag Opens external link in new window www.schattenblick.de -> Infopool -> Umwelt -> Redaktion RESSOURCEN/107: Mongolei setzt Lizenzen für Uranabbau aus (SB) Copyright 2009 by MA-Verlag, Dorfstraße 41, 25795 Stelle-Wittenwurth

Kampf um Energieressourcen

Während der weltweite Konzentrationsprozeß in der Nuklearenergiebranche voranschreitet und beispielsweise Siemens vor rund einem halben Jahr seine Kooperation mit Framatome aufgekündigt hat, nur um kurz darauf eine strategische Partnerschaft mit dem russischen Konzern Rosatom einzugehen, sind die wirtschaftlich führenden Nuklearenergiestaaten mit Positionskämpfen befaßt. Es geht um die langfristige Sicherung der eigenen Energieversorgung in Zeiten der Nahrungs-, Klima-, Energie- und Wirtschaftskrise. Damit sollen zweierlei Funktionen erfüllt werden: Zum einen soll gewährleistet werden, daß die öffentliche Ordnung aufrechterhalten bleibt, da eine unsichere Energieversorgung soziale Verwerfungen auslösen könnte, durch die wiederum vorherrschende Produktionsverhältnisse verändert werden könnten; zum anderen geht es schlicht um die Sicherung von Herrschaftsstrukturen auf der Grundlage der sich qualif izierenden Verfügungsgewalt. Für diesen Zweck kommt der zentralen Bereitstellung von Energie eine besondere Bedeutung zu – umgekehrt würden autarke Energieversorgungssysteme Staat und Wirtschaft zumindest in diesem Sektor der Überlebensbewältigung weitgehend überflüssig machen.

Vor diesem Hintergrund scheint die mongolische Regierung eine taktische Neuausrichtung hinsichtlich des Ressourcenabbaus in ihrem Land vorzunehmen. Im Mai dieses Jahres hat sie eine umfassende Kooperationsvereinbarung mit Rußland getroffen und am 16. Juli ein Wirtschaftsabkommen mit Japan beschlossen, aber im selben Monat die Bergbaulizenzen für eine Reihe westlicher, respektive kanadischer Unternehmen außer Kraft gesetzt.

Nach Angaben der Western Prospector Group Ltd. wurden die Lizenzen zum Uranabbau aufgrund angeblich diverser Vertragsverletzungen für drei Monate außer Kraft gesetzt. Das gleiche gilt auch für die in Toronto ansässige Bergbaugesellschaft Khan Resources Inc., die Uran in der mongolischen Dornod-Mine abbaut. Beim Goldabbau kam es zu ähnlichen Vorgängen. Ivanhoe Mines aus Vancouver meldete, daß die mongolische Regierung die Vereinbarungen modifizieren möchte, damit das Land höhere Erträge aus dem riesigen Oyu-Tolgi-Projekt (Kupfer und Gold) erhält. Im Juni teilte das kanadische Unternehmen Centerra Gold Inc. mit, daß die mongolische Regierung die Lizenz für die Boroo-Goldmine für drei Monate außer Kraft gesetzt hat. In diesem Fall wurde der Bergbau jedoch inzwischen wieder freigegeben.

Seit ihrer Unabhängigkeit 1921 bemüht sich die Mongolei um gute Beziehungen zu seinen Nachbarn, den Kontrahenten Sowjetunion und China. Ab 1991 jedoch, dem Jahr des Zusammenbruchs der Sowjetunion, haben mit den USA, Japan und anderen westlichen Staaten neue Global Players das Spielfeld betreten. Japan versucht zumindest auf dem asiatischen Kontinent seinen mächtigsten Konkurrenten China zurückzudrängen, die USA hingegen streben eine globale Vormachtstellung an und verfolgen seit vielen Jahrzehnten eine Einhegungsstrategie der Sowjetunion – bzw. seit 1991 Rußlands – und Chinas. Dabei hat Washington mehrere Eisen im Feuer. Eines betrifft Indien, das als atomarer Gegenpol zu China aufgebaut wird, ein anderes betrifft Tibet, in dem innere Unruhen gefördert werden, damit sich das Land letzten Endes von China separiert. Sollte es dazu kommen, ständen die USA schon Gewehr bei Fuß, um in Tibet Tritt zu fassen, gegebenenfalls sogar um in dieser geostrategisch enorm wichtigen Lage einen weiteren Militärstützpunkt zu den vielen hundert militärischen Einrichtungen rund um den Globus hinzuzufügen.

Der Mongolei kommt eine ebenso große Bedeutung im Ringen um Vorherrschaft auf dem eurasischen Kontinent zu wie Tibet. Insofern besitzen neue Entwicklungen wie die Kooperationsvereinbarung, die im Mai dieses Jahres anläßlich des Besuchs des russischen Premierministers Wladimir Putin mit Moskau geschlossen wurde, stets eine beträchtliche geopolitische Komponente. Und wenn die mongolische Regierung annähernd zeitgleich westlichen Bergbaukonzernen vorübergehend die Lizenz entzieht, deutet dies auf eine Neuausrichtung in der Außenpolitik dieses asiatischen Binnenlands. Die Verträge mit Rußland sind umfassend angelegt. Bereits im März hatte Moskau die Freigabe eines Kredits in Höhe von 300 Millionen Dollar zur Stärkung der mongolischen Landwirtschaft angekündigt.

90 Prozent der Öl- und Getreideimporte der Mongolei stammen aus Rußland, das somit am längeren Hebel sitzt. Außerdem reiste der mongolische Premierminister Sanjaa Bayer im April für drei Tage nach Moskau und handelte einen Vertrag über die Lieferung von 100.000 Tonnen Weizen zu Vorzugspreisen aus, wobei die erste Tranche schnell geliefert werden sollte, um einen Engpaß auszufüllen. Und schon am 11. April vereinbarten beide Länder, daß russische Spezialisten an der Prospektierung, Förderung und Anreicherung von mongolischem Uran beteiligt werden.

Im Mai dieses Jahres legte zwar der von den USA und den Europäern weitgehend beherrschte Internationale Währungsfonds (IWF) mit einer Kreditzusage in Höhe von 229 Millionen Dollar zur Stabilisierung des in der Weltwirtschaftskrise unter Druck geratenen mongolischen Finanzwesens nach, aber wenn man bedenkt, daß Putin bei seinem Besuch am 13. Mai in Ulan Bator einen Vertrag im Wert von sieben Milliarden Dollar zur Erneuerung und zum Ausbau des mongolischen Schienennetzes unter Dach und Fach gebracht hat, erscheint der westliche Versuch, mehr Einfluß in der Mongolei zu gewinnen, bescheiden.

Mit dem Ausbau des Schienennetzes sollen vor allem die im Süden der Mongolei gelegenen Uran- und Kupferminen sowie die Abbaugebiete von Kohle und anderen Rohstoffen infrastrukturell erschlossen werden. Der mit dem Auftrag befaßte staatliche russische Eisenbahnkonzern wird dann für einen reibungslosen Übergang zum Schienennetz Rußlands sorgen. Darüber hinaus erhält der russische Staatskonzern Lizenzen für die Tavan- Tolgoi-Kupfermine und die Oyu-Tolgoi- Kupfer/Goldmine.

Rußland strebt eine globale Vormachtstellung im Energiebereich an. Neben Erdgas und Erdöl betrifft dies auch den Energieträger Uran. Die jüngsten Verträge mit der Mongolei dienen diesem Ziel. Für die Mongolei gewinnt Rußland als Handelspartner eine immer größere Bedeutung. So entfallen 78 Prozent des mongolischen Exportvolumens auf den Bergbau, der seinerseits 30 Prozent des Bruttosozialprodukts des Landes ausmacht. Ein nicht zu unterschätzendes Detail der neuen russischmongolischen Partnerschaft: Putin möchte erreichen, daß künftige Geschäfte mit der Mongolei in Rubel abgewickelt werden, um diese Währung attraktiver zu machen und langfristig vom Dollar freizukommen.

Die russische Regierung will sich aber nicht nur auf dem Weltmarkt durchsetzen, sondern auch die starke Ausrichtung des Landes auf Erdgas lösen und statt dessen die Uranwirtschaft fördern. Bis 2015 will Rosatom-Chef Kirienko zehn neue Kernkraftwerke in Rußland bauen, bis 2020 soll sich die Zahl sogar von derzeit 31 auf 59 erhöhen. Zugleich hofft Moskau, sich mit Eigenentwicklungen im Kernkraftwerksbereich global zu behaupten. Hier deutet sich durch die Partnerschaft zwischen Rosatom und Siemens, das in der Leittechnik und im Turbinenbau über reichlich Erfahrungen verfügt, ein beträchtliches Ausbaupotential an.

Die Mongolei sitzt auf sechs geologischen Schichten, in denen Uran in abbauwürdiger Menge vorhanden sind, und zwar in rund 100 Lagerstätten. Mongolische Geologen schätzen die Reserven auf 60.000 Tonnen, russische Experten sogar auf 120.000 bis 150.000 Tonnen. Mit dieser Menge zählte die Mongolei zur Spitzengruppe der weltweit 35 Staaten mit nennenswertem Uranvorkommen, nur übertroffen von Kasachstan, Australien, Südafrika, USA, Kanada, Brasilien und Namibia. Laut RIA Novosti belaufen sich die Uranvorkommen in der Mongolei sogar auf 1,5 Millionen Tonnen, was das Land auf den vierten Platz der Welt brächte.

Das mongolische Mineraliengesetz, das 1997 verabschiedet wurde, sollte im Mai 2006 eine Ergänzung durch einen Passus, der eine „Zusatzbesteuerung“ vorsieht, erfahren. Die würde die staatlichen Einnahmen auf bis zu 68 Prozent hinaufschrauben, wobei damit zu rechnen ist, daß russische Konzerne Vorzugsbedingungen erhalten, da umgekehrt die Mongolei für Getreide und Erdöl weniger an Rußland bezahlt, als auf dem Weltmarkt üblich ist.

Die jüngste Aussetzung der Bergbaulizenzen für westliche Konzerne könnten einen Versuch der mongolischen Regierung darstellen, die staatlichen Einnahmen aus „strategischen Lagerstätten“ – das sind 49 Abbaugebiete, die einen jeweils einen Wert von fünf Prozent des Bruttoinlandprodukts der Mongolei (gegenwärtig etwa drei Mrd. Dollar) aufweisen – herauszuschlagen. Somit deuten die befristete Aussetzung der Bergbaulizenzen für westliche Konzerne und die umfassende Partnerschaft mit Rußland auf keine fundamentale Neuausrichtung der mongolischen Außenpolitik, wohl aber auf eine Modifizierung zugunsten Rußlands.

Die Wirtschaftskrise hat die Mongolei schwer getroffen. Steigende Preise für Öl und Getreide haben das Land in Abhängigkeit von russischen Staatsbetrieben gebracht, die ihre Vorteile wahrnehmen wie jede westlichen, profitorientierten Unternehmen auch. Sollte Rußland seine Pläne zur Kontrolle über die Uranminen der Mongolei verwirklichen, würde es im Jahr 2030 etwa 45 Prozent des Weltmarkts erlangen. Parallel dazu entfielen 20 bis 25 Prozent des Kernkraftwerkbaus auf Rußland.

Bei der Bewertung der wirtschaftlichen Beziehungen zwischen der Mongolei und Rußland sowie dessen Streben nach einer weltweit führenden Rolle im Energiesektor ist zu bedenken, daß die Mongolei im Laufe ihrer Geschichte häufiger die Partner gewechselt bzw. seine Schwerpunkte neudefiniert hat. Von einer strategischen Neuausrichtung zu sprechen wäre deshalb übertrieben. Die jüngeren Entwicklungen verdeutlichen jedoch das enorme Konfliktpotential hinter jeder einzelnen Entscheidung der mongolischen Regierung, und sei es auch nur die (vermutlich) befristete Aussetzung der Lizenzen für westliche Bergbaukonzerne.

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