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Die Mongolei in der Rohstofffalle

Der Rücktritt der mongolischen Regierung nach einem erfolgreichen Misstrauensvotum ist Ausdruck einer tiefgreifenden politischen und ökonomischen Krise, in der sich dieses Land befindet. Dabei hat auch ein nennenswerter Teil der Abgeordneten der „Demokratischen Partei“ des Ministerpräsidenten das Votum unterstützt.

Diese Krise wird wesentlich befeuert von den fallenden Rohstoffpreisen, auf deren hohes Niveau nicht nur die Rohstoffkonzerne spekuliert haben, sondern auf dem auch die mongolischen Regierungen seit Jahren ihre Politik aufgebaut hatten.

In den letzten beiden Jahren ist das Wachstum der mongolischen Wirtschaft weit hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Etwa ein Drittel der Bevölkerung gilt offiziell als arm, die mongolische Währung hat in den letzten zehn Jahren gegenüber dem Euro etwa die Hälfte an Wert verloren. Nach seriösen Schätzungen ist der mongolische Staat heute pleite, eine absolute Zahlungsunfähigkeit wird derzeit für 2017 vorhergesagt. Dann soll ein kritischer Punkt erreicht sein, an dem die Kreditzinsen für die mongolischen Anteile an den Bergbaubetrieben nicht mehr bezahlt werden können. Die „Rohstofffalle“ schnappt aktuell auch in der Mongolei zu.

Um dieser Entwicklung gegenzusteuern, unternahm die mongolische Regierung bis zu ihrem Rücktritt eine internationale Initiative, mit der sie die Reichtümer der Mongolei an Kohle, Gold, Kupfer, Uran, Flussspat, Metallen der seltenen Erden, Wolfram usw. wie Sauerbier an den „internationalen Märkten“ angeboten hat.

Neben den für die Mongolei seit Jahren bekannten Kämpfen um materielle Pfründe, die in permanenten Vorwürfen der Korruption ausgetragen werden, spiegelt sich die politische Krise in mehreren umkämpften Gesetzen wider. Da ist zum ersten das „Gesetz mit dem langen Namen“, das die Flüsse, die Wälder und die Quellgebiete von Flüssen unter Schutz stellt, und demzufolge auf etwa 30% der Fläche der Mongolei kein Bergbau betrieben werden dürfe. Sowohl Bergbaubetriebe wie auch die jetzt zurückgetretene Regierung haben versucht, dieses Gesetz zu revidieren. Da ist zum zweiten das Bergbaugesetz, das die Regeln für den Bergbau, die Vergabe von Lizenzen, das Genehmigungsverfahren, die Kapitalrückstellungen für die Rekultivierung etc. regeln soll, sowie drittens das Bodenrecht, das in einem Entwurf den Ausverkauf der besten Böden an internationale Investoren möglich machen sollte, denen bis zu 90 Jahren Garantien für die Ausbeutung der gepachteten Fläche gegeben werden sollten. Die Verabschiedung des neuen Bodenrechts wurde im Frühsommer 2014 nach erheblichen Protesten auch der städtischen Bevölkerung erst einmal zurückgezogen.

Diese Gesetzesvorhaben, -novellen und -revisionen sind Verzweiflungstaten der mongolischen regierenden Klasse – quer nahezu über alle Parteien -, ihre eigenen Pfründe zu sichern, indem eine möglichst hohe „Provision“ beim Ausverkauf des mongolischen Reichtums bei ihr hängen bleiben soll. Doch dagegen regt sich in allen Bevölkerungsteilen Widerstand.

Diese Politik des Ausverkaufs des mongolischen Reichtums geht eindeutig zu Lasten der Bevölkerung auf dem Land, die mit 25% als mobile Tierhalter etwa denselben Anteil am Bruttoinlandsprodukts erzeugen. Sie wehren sich gegen den Ausverkauf der Mongolei, da insbesondere der Bergbau ihre Weideplätze vergiftet, das Fließwasser ungenießbar macht und auch schon in den Quellgebieten das Grundwasser verunreinigt. Das „Gesetz mit dem langen Namen“ war von ihnen 2008 in schweren Auseinandersetzungen zwischen Viehhaltern und Bergbaufirmen durchgesetzt worden. 2014 wurden fünf führende Vertreter des Widerstands der Viehhalter zu Strafen zwischen fünf und zehn Jahren verurteilt, weil sie auf einer Protestdemonstration gegen eine Nacht- und Nebel-Revision des Gesetzes die Bannmeile des Parlaments durchbrochen hatten und dabei Handgranaten-Attrappen und geladene Gewehre mit sich führten. In erster Instanz waren sie zu jeweils bis zu 21 Jahren verurteilt worden.

Im Land geht unterdessen die Umweltzerstörung weiter. Aktuell hat eine illegal im Khangai-Gebirge im Norden der Provinz Bayankhongor auf dem Gebiet der Gemeine Gurvanbulag aktive Goldmine (G & U Gold) durch eine Sprengung im Permafrostgebiet den Fluß „Shar usan gol“ (Gelbwasserfluss) versiegen lassen. Diese Gegend ist eigentlich durch das „Gesetz mit dem langen Namen“ geschützt. Die Nomaden müssen nun ihr Trinkwasser über 12 Km aus dem „Khar usan gol“ (Schwarzwasserfluss) heranschaffen. Diese Flüsse sind Quellflüsse eines ganzen Flusssystems, das über mehrere hundert Kilometer schließlich im Chjargas-Nuur endet und an dessen Unterlauf im Landkreis Taishir ein Wasserkraftwerk geplant ist. Am Unterlauf dieses Flusssystems wurden im Landkreis Durwuljin in der benachbarten Provinz Zavkhan viele Weidetiere, Wildtiere und Vögel vergiftet aufgefunden – vermutlich durch bei der Goldgewinnung verwendetes Natriumzyanid.

Gegen diese Mine haben die Nomaden der Gegend gemeinsam mit Umweltschützern zum wiederholten Mal eine zumindest vorübergehende Schließung der Mine in Gurvanbulag durchgesetzt. Doch es steht zu befürchten, dass das System von Korruption und unklaren Kompetenzen auch dieses Mal der Minengesellschaft wieder ein Schlupfloch öffnen wird, um weiterzuarbeiten. Dass die Minengesellschaften dabei auch nicht vor Gewalt zurückschrecken, zeigt eine regelrechte Treibjagd der Minenbetreiber, die mit sieben Fahrzeugen die Umweltschützer von DMNN und den „Aufrechten blauen Mongolen“ über die Steppe jagten.

Diese Aktionen gegen die Umweltzerstörung werden heute aber zunehmend von Gruppen auf dem Land und aus der Stadt gemeinsam unternommen. Und dies ist ein wichtiger Aspekt der politischen Krise der Mongolei: Es sind heute nicht mehr nur die Nomaden auf dem Land, die als „rückständig“ und „fortschrittsfeindlich“ verunglimpft werden können, und deren Proteste angeblich die Investoren verschrecken und dementsprechend der Mongolei schaden würden. Es sind heute auch Teile der Bevölkerung im Zentrum Ulaanbaatar, die bemerken, dass diese Politik des Ausverkaufs auch ihnen in der Mehrheit keine Vorteile bringt. Allmählich wird deutlich, dass es sich bei den Auseinandersetzungen nicht um einen Konflikt zwischen Stadt und Land oder zwischen konservativ und fortschrittlich handelt, sondern um einen Konflikt zwischen Gewinnern und Verlierern dieser Auslieferung der Mongolei an das internationale Kapital.

Wie der Lösung dieser Krise aussehen kann, ist derzeit schwer zu beurteilen. Es steht zu befürchten, dass das politische System in irgendeiner Form auf Zeit spielen wird, und durch den Austausch von Köpfen und Koalitionen den Eindruck erwecken will, die Sorgen der Bevölkerung ernst zu nehmen. In der Sache selbst wird sich vermutlich wenig ändern. So wird überlegt, die staatliche Beteiligung an der geplante Uranmine in der Ostgobi zu verkaufen, da sie zu teuer sei, und gleichzeitig die Atombehörde in das Bergbauministerium zu integrieren. Ein solcher Schritt würde zwar Geld in die leeren Staatskassen spülen, auf der anderen Seite aber das Konzept, langfristig an den Rohstofferlösen beteiligt zu sein, ab absurdum führen. Ob aber ein solcher Schritt vom französischen Partner AREVA mit getragen wird, der den Preis für den mongolischen Anteil beliebig nach unten drücken könnte, ist ungewiss. Ohne Rückendeckung durch die mongolische Regierung könnte AREVA sich auch komplett zurückziehen (aktuell haben sie ihre Bohrungen eingestellt) und es würden mehrere hundert Quadratkilometer verseuchte Landschaft und ruinierte Nomadenfamilien das Scheitern der bisherigen Politik dokumentieren.

Eike Seidel, November 2014

http://youtu.be/PdBmUZ-B2j8?list=UUWa8lBaYCp_GdabdEKCO_qA

Zum Wasserkraftwerk in Taishir

http://www.waterpowermagazine.com/projectprofiles/projectprofilesextreme-dam-building/

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