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Wie man als Europäer auf dem Land dick werden kann

Alle hatten vorhergesagt, ich würde auf dem Land in der Mongolei abnehmen; dieses Land sei nicht gerade für seine kulinarischen Genüsse berühmt. Doch es kam anders: Ich nahm zu – mehrere Kilogramm in zwei Wochen. Und das kam so:

Es war heiß, wie immer in den Sommermonaten, kein Schatten weit und breit, die Seitenwände der Jurte waren hochgeklappt und drinnen zog ein kühler Wind durchs Ger. Für einen wie mich der ideale Platz, um mehrfach am Tag der Sonne zu entgehen. Doch kaum hatte ich die Jurte betreten, war meine Gastgeberin zur Stelle, wärmte die Suppe auf oder was sonst „auf dem Herd“ war und gab es mir zu essen. Höflich, wie ich war, nahm ich die Schale und aß.

Das wiederholte sich jedesmal, wenn ich Schatten suchte: sie unterbrach ihre Arbeit, machte das Essen warm und aus lauter Höflichkeit langte ich zu. Es dauerte eine ganze Weile, bis wir beide das Spiel durchschauten: Ein mongolischer Mann betritt tagsüber das Ger nur, wenn er Hunger hat oder Ajrag trinken will. Dann hat die Frau zu springen und alles herzurichten. Dass ein Europäer aber das Ger betritt aus keinem anderen Grund als dem, endlich ein wenig Schatten zu bekommen, ist in diesem Verhalten nicht vorgesehen. Und so dauerte es viele Tage und mehrere Kilogramm, bis wir beide, meine Gastgeberin und ich, begriffen, daß ich keineswegs hungrig war, wenn ich die Jurte betrat.

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