Die geheimnisvollen Uriankhai
Kaum ein anderer mongolischer Begriff für einen Bevölkerungsteil ist so unklar wie der der Uriankhai. Es scheint so, dass sich über die Geschichte der Uriankhai selbst die Wissenschaft nicht so ganz einig ist.
So verortet eine Karte die Uriankhai um 1200 westlich des Onons, als im Grenzgebiet zwischen dem Khentii und dem Zentralaimak. Der Heerführer Jelme und sein jüngerer Bruder Sube’etai, der vermutlich erfolgreichste General der Geschichte, soll Angehöriger dieses mongolischen Stammes gewesen sein.
Eine nächste Karte, etwa drei Jahrhundert später, enthält die Bezeichnung Uriankhai sowohl weiter im Osten wie auch etwa in der Senke der großen Seen im Westen.
Es gibt keinen Hinweis darauf, dass diese Uriankhai keine Mongolen gewesen wären.
Allerdings, und damit kommt die Verwirrung ins Spiel, gibt es eine zweite Gruppe, die ebenfalls Uriankhai genannt wurde und die weiter im Norden als „Wald“-Uriankhai bezeichnet wurden. Dabei handelt es sich vorwiegend um turksprachige Volksgruppen und sibirische Völker, die – wie schon der persische Historiker Rashid-al-Din Hamadani aufschrieb – nichts mit den beiden erst genannten zu tun hatten und sehr zerstreut lebten. Es gibt Vermutungen, dass das Wort Uriankhai nicht wirklich ein einheitliches Volk bezeichnet, sondern eine gesellschaftliche Stellung und die beiden Worte „Uria“ und „Khan“ verbindet, was „zusammentrommeln“ und „König“ bedeutet. Die so bezeichneten Gruppen sind also im „Verteidigungsfall“ dienstverpflichtet, ansonsten aber autonom. Doch dies ist bis heute Spekulation. Einig sind sich wohl die meisten, die sich mit der Frage beschäftigt haben, darin, dass Uriankhai keine ethnische Bezeichnung ist. Die eindeutig mongolischen Uriankhai von Jelme und Sube’etai sind historisch von der Bildfläche verschwunden. Übrig blieben die „Waldleute“ im Norden.
Im 19. Jahrhundert gibt es die Uriankhai vor allem westlich des Khuvsghul-Sees, im Altai und in Tannu-Tuva. Bilder von Consten zeigen sie z.B. als Menschen, die nicht in Jurten, sondern in Zelten, vorwiegend aus Birkenrinde, leben – ähnlich den sibirischen uind skandinavischen Rentierhirten.
Heute bezeichnet sich ein Teil des Bayan-Ölgii Aimaks als Tuwiner (insbesondere im Tsengel Somon). Ihre Sprache ist auch nicht mongolisch, sondern eine Turksprache. Der in Deutschland bekannteste Tuwiner aus der Mongolei ist der Schriftsteller Galsan Tschinag. Die überwiegende Mehrheit der Tuwiner heute lebt in der autonomen russsichen Republik Tuva, Dieses Gebiet war bis zur Festlegung der nördlichen Grenze der Mongolei im Vertrag von Kjakhta 1915 (Achtung: Es gibt zwei Verträge von Kjakhta) „Kronland“ des Bogd Gegeen gewesen und wurde von seinen Leibeigenen bewirtschaftet. Doch unabhängig von der Sprache sind sich Lebensweise und Kultur der Tuwiner relativ ähnlich.
Es muss davon ausgegangen werden, dass auch die Rentiernomaden westlich des Khuvsghul, die Zaaten, als Uriankhai bezeichnet wurden.