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Ferienspiele am roten Felsen

Ein Kindergarten in der Steppe

Wir hatten uns entschlossen, nicht über die normale Straße von Kharkhorin nach Khutschirt zu fahren, sondern über die Berge. Insgeheim natürlich in der Hoffnung, endlich eine Jurte zu finden, in der wir den in diesem Jahr 2010 so seltenen Airag erstehen könnten. Aus dem Airag wurde nichts, aber unser Entschluss hat sich gelohnt: Etwa 20 Kilometer hinter Kharkhorin stand einige Meter über der Piste am Hang eine Jurte mit einem quietschebunten Spielgerät aus zwei Rutschen und einer Schaukel dazwischen. Oben angekommen standen wir vor dem Ferienstützpunkt „Roter Felsen“ des in der Ferienzeit geschlossenen Kindergartens von Kharkhorin.

Bis zu 12 mongolische „Zwerge“ werden in der Jurte in den Ferien betreut. Einige trauten sich auf uns zu, gelockt von den Bonbons, die wir anboten – die Kindergärtnerinnen erlaubten wegen der Gefahr für die Zähne nur sehr geringe Mengen. Andere suchten Schutz hinter den Schürzen der „Tanten“. Diese wollten nicht fotografiert werden, da sie nicht in ordenlticher Berufskleidung zur Arbeit erschienen waren. Ja – dieses Sommerprogramm würde regelmäßig seit Jahren durchgeführt. Die Kinder kämen hier aus der Gegend. Und wie zum Beweis erschien ein Klein-LKW, in dem ein Vater seine zwei Kinder ablieferte. Woher er aber gekommen war, konnten wir nicht sehen: Weit und breit war im weiten Tal keine Jurte zu sehen, woraus wir Anfahrtswege von sehr vielen Kilometern ableiteten. Insgesamt seien es um Kharkhorin herum drei solcher Ferienstützpunkte.

Die Kindergärtnerinnen hier bestätigten, was wir Tage zuvor im Saikhan Sum im Bulgan Aimag von einer Frau beim örtlichen Naadam erfahren hatte: Sie sei Kindergärtnerin und derzeit in einer Jurte ausserhalb tätig. Wenige Tage zuvor hatten wir nicht verstanden, was sie damit zum Ausdruck gebracht hatte.

In der Jurte standen mehrere Bänke mit jeweils zwei Stühlen sowie ein als Katheder hergerichteter Tisch mit Unterrichtsmaterialein. Ja, in der Vorschule wird schon unterrichtet – und wie: Ein vielgebrauchtes, in Dänemark produziertes Heft, aber mit mongolischen Buchstaben und Symbolen, enthielt Aufgaben wie: Bilde aus diesen acht Dingen vier Paare, wobei Aufgabe tatsächlich darin bestand, die beiden Gegenstände zu identifizieren, die eben in kein Paar passten.

Europäer, die sich mit dem mongolischen Schulsystem auskannten, bestätigten: Die mongolischen Kinder würden sehr früh intensiv lernen. Sie seien deutschen Kindern vielfach nach den ersten vier Jahren um ein bis zwei Schuljahre voraus – zumindest was das reine Wissen anbelangt. Aber – so der Einwand unserer deutschen Gewährsleute – das sei ja nicht alles, was die Schule zu vermitteln habe; im kreativen Anwenden des Gelernten seien sie nicht so gut wie die ‚Schüler in Europa. Nun, das lassen wir mal dahingestellt: An praktischer, kreativer Daseinsbewältigung hat ein Mongole auf dem Land vielen Europäern sehr viel voraus….

Und eine warme Mahlzeit gibt es in diesem Kindergarten auch: Ein Ofen und Fleisch, das zum Trocknen am Jurtendach hängt, gehörte ebenfalls zum Inventar.

Wir jedenfalls hatten nach diesem Erlebnis in der Steppe viel zu diskutieren über den garantierten Kindergartenplatz in Deutschland …

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